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Wo sind denn alle?

Helga Rougui

Sie schläft. Die Nase im Kopfkissen hört sie den Wecker klingeln. Sie steht auf. Während sie ins Bad geht, zieht sie sich das Nachthemd über den Kopf. Sie setzt sich aufs Klo, sie nimmt eine Dusche, sie sucht sich ihre Unterwäsche, ihre Socken, ihre Kleidung zusammen. Sie zieht sich an, sie bürstet ihre Haare und schminkt sich Augen und Lippen.

Die Kaffeemaschine brodelt, sie trinkt die erste Tasse Kaffee. Sie ißt eine Scheibe Brot mit Butter und Erdbeermarmelade und eine zweite mit Salami und schneidet eine Tomate dazu. Sie checkt ihre Mails, Werbung, Annika ist schwanger, Udo geht nach Amerika, Werbung. Der Kater streicht schon eine Weile um sie herum. Sie öffnet eine Dose Katzenfutter, rümpft die Nase und füllt den Freßnapf.

Sie verläßt die Wohnung. Am Auto angekommen kramt sie in ihrem Rucksack nach dem Autoschlüssel, schließt die Fahrertür auf, steigt ein und biegt nach rechts in die Hauptstraße ab. Eine Ampel springt auf Rot. Sie gähnt. Es ist noch früh. Die Ampel springt auf Grün. An der Tiefgarage des Bürogebäudes angekommen steckt sie ihre Chipkarte. Die Einlaßschranke hebt sich. Sie findet direkt im vorderen Bereich einen für Frauen reservierten Parkplatz.

Sie begibt sich an ihren Arbeitsplatz. Der Aufzug bringt sie in die sechste Etage. Dort hat die Firma ihren Sitz. Sie öffnet die Tür zu ihrem Büro, legt ihre Sachen ab und setzt die Kaffeemaschine in Gang. Sie schaltet ihren Rechner ein. Ordner, Dateien, Dossiers, Formulare. Um halb zehn Uhr ißt sie ein Knoppers das Frühstückchen. Genehmigungen, Verpflichtungserklärungen, Unterlagen zur Weiterleitung.

Mittags in der Kantine nimmt sie ein Tablett und geht zur Essensausgabe. Sie wählt einen Teller mit paniertem Schnitzel und Pommes, keinen Salat. Sie setzt sich in eine Ecke an einen freien Tisch und ißt.

Nach einer halben Stunde geht sie wieder in ihr Büro. Sie schaut auf den Bildschirm. Kostenaufstellungen, Erstattungsanträge, Statistiken, Tabellen. Papiere, Papiere, Papiere. Sie sieht auf die Uhr. Sie macht Feierabend.

Sie geht zum Arzt. Sie betritt die Praxis. Sie kann sich direkt ins Wartezimmer setzen. Sie betrachtet abwechselnd den Gummibaum und ein überdimensionales abstraktes Gemälde. In der Kinderspielecke stehen zwei kleine Holzstühle und ein Tischchen. Darauf liegen Bauklötze und Bilderbücher mit Abbildungen von Zootieren und Planeten. Sie geht in den Untersuchungsraum, macht den Oberkörper frei, legt sich auf die Liege. Sie schließt die Augen. Sie fühlt die Saugnäpfe des Meßgeräts und hört, wie der Ausdruck mit der Herzkurve aus dem Ausgabeschlitz des Apparats rattert. Sie zieht sich wieder an und verläßt die Praxis.

Sie geht einkaufen. Mit einem Einkaufswagen betritt sie den Supermarkt. Ihr Blick streift über die Waren in den Regalen. Zuerst steuert sie die SB-Fleischtheke an. Blut, Fasern, Knochen, Fett. Sie legt ein in Zellophan verpacktes Steak und ein Päckchen Lungenhachee für den Kater in ihren Wagen.Sie geht an der Brottheke vorbei. In der Obst- und Gemüseabteilung sieht sie Rot, Grün, Blau, Gelb. Äpfel, Zucchini, Weintrauben, Bananen. Sie geht zur Kasse, legt die Waren auf das Band, das Band ruckt an und läuft. Der Scanner piept piept piept piept piept piept. Sie holt ihr Portemonnaie heraus und öffnet es. Sie schiebt ihre Amexkarte in den Schlitz des Lesegeräts und tippt ihre Geheimzahl in die Tastatur. Sie packt das Fleisch, das Obst und das Gemüse in eine Plastiktüte und trägt die Tüte zum Auto. Sie öffnet den Kofferraum und stellt die Tüte hinein.

Sie geht schwimmen. Sie betritt das Schwimmbad und entwertet ein Feld ihrer Zehnerkarte am automatischen Einlaß. In der Umkleide zieht sie ihren Badeanzug an, geht dann in den Duschraum und sucht sich eine Einzelkabine. Sie geht in die Schwimmhalle und steigt die Treppe zum Becken hinunter. Sie verzieht das Gesicht, es ist Warmbadetag. Sie schwimmt. Wasser Beckenrand Wasser Beckenrand Wasser Beckenrand. Sie schwimmt zwanzig Bahnen. Dann verläßt sie das Becken und geht wieder in die Umkleide. Der Föhn funktioniert. Es gibt keinen Spiegel. Sie geht zum Ausgang und verläßt das Schwimmbad.

Sie fährt nach Hause, räumt die Lebensmittel in den Kühlschrank und sieht nach dem Kater.

Sie geht ins Kino. Sie betritt den Vorraum, geht zur Kasse. Sie legt einen 50 Euro-Schein auf die Theke, zählt das Wechselgeld und nimmt ihr Ticket. Sie will sich eine XXL Tüte Popcorn und einen Maxibecher Cola holen, aber das Erfrischungsbuffet ist geschlossen. Ein vergilbtes Plakat wirbt für "Die Wüste lebt". Der Film läuft schon lange nicht mehr.

Sie sieht den Eingang zum Kinosaal. Dann sieht sie nichts in der Dunkelheit der Eingangsschleuse. Die Reihe mit ihrem Platz ist unbesetzt. Sie nimmt ihren Platz ein. Die Werbung ist vorbei. Es wird dunkel. Die Leinwand wird hell. Sie sieht die Leinwand. Sie sieht auf die Leinwand.

Mike Leigh, Another Year. Vorspann. Der Film beginnt.

da sind sie ja

und ich dachte schon alle wären unsichtbar

Sie sieht den Film. Sie sieht den Abspann. Es wird hell. Sie sieht leere Becher, leere Tüten von der Nachmittagsvorstellung unter den Sitzen. Sie verläßt das Kino.

Draußen. Frische, feuchte Luft.

Ein Regenguß kündigt sich an.

Sie schöpft Hoffnung.

Es ist höchste Zeit.

 

 

Whisky oder Fencheltee?

Helga Rougui

Wissen Sie, ob Sie nach Ihrem hoffentlich noch in ferner Zukunft liegenden Ableben in den Himmel oder in die Hölle kommen? Oft ist der Fall nicht klar, Engel und Dämon streiten um Ihre Seele, und manchmal muss dann doch jemand ex machina die Entscheidung fällen ...

Und so sieht das dann aus:

 

Es ist die Zeit zwischen Frühstück und Mittagessen. Das Café am Rathausplatz in D. hat sich geleert, ein Kellner lehnt an der Theke, falls einer der übriggebliebenen Frühstücker herüberwinkt für ein letztes Gläschen Sekt. Aus der Küche dringen Geräusche, Töpfeklappern, leise Anweisungen, das Mittagessen ist in Vorbereitung.

Zwei Frauen - oder sind es Damen? - betreten das Café. Unterschiedlicher könnten sie nicht sein. Die eine rothaarig, grünes Kleid, rote High Heels, ein überstark geschminkter Mund. Schwarz ist der Lippenstift wie die Nacht, die grünen Augen leuchten wie die grüne Hölle von Bollendorf. Der Kellner strafft sich unwillkürlich - um beim Anblick der zweiten Erscheinung entspannt zusammenzufallen. Blond ist sie, natürlich, rosig, ungeschminkt, weißes schmales Kleid und flache Schuhe, saphirblaue Rehaugen, Audrey Hepburn in "Roman Holiday".

Gebieterisch winkt die Rothaarige die andere zu einem Tisch in einer Ecke, die sich zustimmend lächelnd ebenfalls dort niederläßt.

- Hier können wir in Ruhe reden. aber erst mal Frühstück.

Der Kellner steht bereit, nimmt die Bestellung auf, schlägt vor:

- Das Luxusfrühstück für zwei Personen, meine Damen?

- Ach was, für mich einen doppelten Scotch auf Eis und sechs frische Austern.

Und du, Uriel, das Gleiche?

Die Frage kommt leicht spöttisch, während sich der Kellner gleichzeitig über den Namen für die blonde Lichtgestalt wundert.

Uriel antwortet geduldig:

- Danke, Baobhan-Sith, aber du weißt doch, ich vertrage keinen Alkohol. Ich nehme einen Fencheltee und eine Schale Manna mit Frohlocken.

Der Kellner guckt, während Baobhan-Sith dazwischenfährt:

- Sie meint Mandarinen mit Haferflocken. Ohne Chili, stimmts, Uriel? Nun aber flott, flott, der Herr.

Der Kellner entfernt sich, die beiden Damen rücken zusammen.

Baobhan-Sith beginnt. Sie zischt:

- Also wenn du glaubst, ich lasse mir meine Beute so leicht entwinden -

- Das ist keine Beute, Bao, sondern ein sehr junger, sehr verletzlicher Jüngling, der gerade erst - unter meiner Leitung - zu seiner Bestimmung gefunden hat.

- Du mit deiner Bestimmung. Deine Aufgabe, Autoren mit kreativen Ideen zu versehen, ist doch lächerlich. Außerdem habe ich ihn die ganze Zeit mit herrlich giftigen Einfällen vollgeblasen, die ihn überhaupt erst zum Bestsellerautor gemacht haben. Was glaubst du, worauf die Leute abfahren? Auf dein liebliches Zuckerzeuggeschreibsel oder auf Sex-Horror-Crime-Thriller?

- Das ist ja nun auch egal, meint Uriel leicht betreten. Auch sie hat feststellen müssen, daß die Verkaufszahlen von "Koks im Arsch des Drachen", dem letzten Roman ihres Schützlings, enorm angezogen haben. Sie wischt eine Träne weg.

- Egal, nimmt sie den Faden wieder auf. Er hat nun mal diesen Tumor und nicht mehr lange zu leben, und ich bin bereit, ihn ins Licht zu führen.

- Das wird dir nichts nützen, meine liebe Uri, auf ihn wartet das Feuer der Hölle. Ich habe schließlich bewirkt, dass er sich mit bösen Gedanken geradezu vollgesogen hat. Er gehört mir.

- Ja, aber er hat durch sein neuestes Werk jede Menge Arbeitsplätze gesichert und Buchhandlungen vor dem Ruin gerettet. Das Mittel mag nicht gerade himmelsadäquat gewesen sein, aber das Resultat war göttlich. Gut und selbstlos.

- Ach, und die Millionen, die er verdient hat? Die Ferraris, die Weiber, das Lotterleben? Der Alkohol? Die Drogen?

- Er hat immerhin gespendet. Für die verschiedensten krebsbekämpfenden Organisationen.

- Aber erst nachdem er krank geworden ist. Sieht nicht nach Selbstlosigkeit aus.

Der Kellner kommt mit dem Frühstück. Fencheltee und Mandarinenporridge, Austern und Whisky.

Die Damen schweigen, während in unendlicher himmlischer Höhe Gott und Satan die Köpfe zusammenstecken.

- Was meinst du? Wird der Autor demnächst seine Lesungen in deiner Hölle oder in meinem Himmel abhalten?

- Ich weisesnich, ich weisesnich, und wenn ichs wüßt, ich sechtet nich, versucht sich Satan an einem plattdeutschen Spruch, den er irgendwann mal aufgeschnappt hat.

- Also, ich finde, schließt Gott die Überlegungen ab, der Autor ist schon ein rechter Schwerenöter, aber unterm Strich bleibt doch, dass er rasant gut geschrieben hat. Im Zweifel für den Angeklagten.

Während Satan beleidigt schweigt, sendet Gott mit seinem göttlichen Zeigefinger eine Botschaft direkt an den Frühstückstisch.

Und so kommt es, dass vor den Augen des verblüfften Kellners das Whiskyglas und die Schalentiere zu grünem Staub zerfallen - während goldene Blumen aus der Teetasse und der Haferpampe sprießen.

Engel und Dämon schauen nach oben. Dann einander ins Gesicht.

- Die Entscheidung ist gefallen, Man sieht sich, sagt Uriel und erhebt sich.

- So ist es, sagt Baobhan-Sith und strebt ebenfalls dem Ausgang zu.

Aber - es gibt ein nächstes Mal. Und dann - wird man sehen ...

 

Salzkörner

Helga Rougui

Die Suppe im Salz?

Nee nee, der Fisch in der Salzkruste muß das heißen, genauer gesagt, der Loup de Mer in der Meersalzkruste, die wird dann aufgehämmert, und der weiße, zarte Fisch liegt in voller Pracht duftend auf dem Teller. Aber doch, auch die Suppe kann im Salzgefäß zubereitet werden, da heißt es dann etwas schneller essen, sonst hat man sich selber die Suppe versalzen,

Es gibt ein Kochbuch, ein Standardwerk, herausgegeben von Henriette Davidis um die vorige Jahrhundertwende, meine Ausgabe ist von 1905, das war der guten Hausfrau Ratgeber, Brevier und inspirierende Lektüre in einem, und die Hausfrau widmete sich dieser Lektüre nach getanem Hausfrauentagwerk in der Muße der bürgerlichen Abendstunden.

In diesem Buch gibt es ein Kapitel, das sich mit der Kost der Kranken befaßt. Es sind Suppen aufgelistet, deren übereinstimmendes Merkmal es ist, kein Salz und somit keinen Geschmack zu beinhalten, weil Salz schlecht für die Gesundheit sei, wenn nicht sogar per se et eo ipso böse und des Teufels, also ist es von der Liste der rekonvaleszenzunterstützenden Genüsse schon mal grundsätzlich ausgeschlossen, und wenn all diese Suppen auch nach nichts schmecken, so ist das doch egal angesichts des immensen gesundheitlichen Gewinns, den man davonträgt, indem man sich auf diese Rezepte beschränkt.

Was nicht heißt, daß sich in diesem Kochbuch keine salzhaltigen Rezepte finden, man nehme nur das Rezept, Schnecken zuzubereiten.

Schnecken. Sie müssen ausschleimen, die armen Schnecken, damit man sie essen kann, und das tun sie nur, indem man sie überreichich mit Salz bestreut. Ob das den Schnecken gefällt, ist fraglich, aber dem wackeren Esser gefällt es sicherlich.

Was zeigt – Salz ist für die einen gefährlich, für die anderen unverzichtbar.

Wie wichtig Salz ist, habe ich als Kind durchs Lesen erfahren. „Die Höhlenkinder“ hieß der Romanzyklus, und die beiden Protagonisten, Eva und Peter, waren so lange unglücklich, wie ihre Nahrung salzlos war. Eines Tages fand der Junge – oder der junge Mann – eine Salzlecke, die vom Wild benutzt wurde, er brach ein Stück vom Salz ab und brachte es nach Hause zu Eva, die das Jagdfleisch damit einrieb, und sie brieten es über der Glut – eine Art jungsteinzeitliches Slow-Cooking sozusagen, und etwas, von dem sie nicht gewußt hatten, daß es ihnen fehlte, war plötzlich da und rundete das Dasein ab und die Geschmacksnerven auf.

Salz ist wichtig, Überlebenswichtig. Ohne Salz hätten sich die Höhlenkinder gegenseitig totgeschlagen.

Auch in menschlichen Beziehungen darf das Salz nicht fehlen.

Das kann sein das Salz auf der Haut, wenn man mit seinem Geliebten am Atlantik spazierengeht und bein Küssen merkt, daß er das Salz der blauen Meereswolken auf seinen Lippen trägt – das kann sein, daß der Drang übermächtig wird, mit diesem einen Menschen und keinem anderen zusammensein zu wollen - das ist das Salz in der Suppe der menschlichen Beziehungen, das sich gemeinhin Verliebtheit nennt, das kann anhalten und kann auch schnell vorbei sein, aber solange es dauert, ist es gar köstlich und wunderbar.

Salz muß sein. Ohne Salz schmeckt uns die Lebenssuppe nicht.

Begegnungen. Keine Geschichte

Helga Rougui

Begegnungen sind das Salz in der Suppe des Lebens.

Ohne Begegnungen ist keine Bewegung, nur stilles Abwarten – wenn die Begegnungen aufhören, endet das Leben.

Einerseits die regelmäßigen, alltäglichen, banalen Begegnungen, die dich jedes Mal aufs neue merken lassen: du existierst in deiner Realität, indem du dich an anderen Existenzen reibst, ohne sie zu berühren oder gar zu durchdringen, sowie auch die wiederkehrenden tröstenden und freudigen Begegnungen, die - kleine Variante - der Zucker im Kaffee deines Lebens sind.

Das ist die unverzichtbare Basis. Die Alternative ist Einsamkeit.

Andererseits die außergewöhnlichen, faszinierenden, atemberaubenden Begegnungen, an die du dich dein Leben lang erinnerst, die folgenschweren Begegnungen, durch die sich dein Leben verändert sei es im guten oder schlechten Sinne, die wichtigen augenöffnenden Begegnungen, durch die du dich, welche Chance, vielleicht verändern darfst, wenn du sie verstehst.

Das sind die Glücksfälle, die Sahnehäubchen deines Daseins. Die Alternative ist Langeweile.

Es sind zu viele - und in deinem Kopf ballt sich aus mancherlei Gründen diesmal keine Begegnung, erlebt oder erfunden, zu einer Geschichte zusammen.

Dabei mangelt es dir nicht an Begegnungen.

Morgens begegnest du deinem Freund, der sich fluchend in seinen Arbeitstag hineinarbeitet.

Wenn du über die Autobahn zur Arbeit fährst, begegnest du einer Vielzahl von Idioten hinterm Steuer, die alle noch nicht richtig wach sind und dementsprechend fahrkunstmäßig nicht in die Gänge kommen, und du bist natürlich wieder mal die einzige, die zügig und reaktionsschnell zur Arbeit flitzt.

Auf der Arbeit angekommen triffst du wie jeden Morgen deine lieben Kollegen, die dich scheißfreundlich begrüßen, während sie bereits überlegen, an welcher Stelle sie dir den Dolch in den Balg rammen können.

Und das Highlight dieser Art Begegnung ist dann deine Chefin, die freundlich falschlippig Tadel verteilt, die um so schlimmer sind, als sie im Gewand des Liebreizes einherkommen.

In der Mittagspause dann siehst du dich einer grobschlächtigen weißbekittelten Dame mittleren Alters gegenüber, die mit mürrischem Gesicht eine oder zwei Kellen undefinierbares Zeugs auf deinen Teller knallt, und den schlechten Appetit dazu wünschst du dir dann schon mal lieber selbst.

Nach Feierabend, beim Einkaufen, legst du der mißmutigen Kassiererin an der Schnellkasse deine sieben Einkäufe aufs Band. Die dich anranzt, ob und wo du offensichtlich nicht bis fünf zählen gelernt hast.

Und abends begegnest du wieder deinem Freund, der schlagkaputt und reichlich angefressen von seiner Arbeit kommt und dessen Interesse an deinem Tagesablauf darin besteht, sich zu fragen, wieso das Essen noch nicht auf dem Tisch steht.

Dir begegnen offensichtlich deine Begegnungen als Gegner.

Du armer, zutiefst gebeutelter, unglücklicher Mensch.

Aber da ist auch die Begegnung mit deiner langjährigen Freundin, die du einmal in der Woche triffst, die dich voll und ganz versteht und als einzige keine Forderungen an dich stellt.

Oder die Kollegin, die dir von sich aus hilfreich zur Seite steht, wenn du einem unlösbaren Problem gegenüberzustehen meinst.

Und dann an einem ihrer guten Tage findet die Chefin ein ehrliches Wort der Anerkennung für eure ersprießliche Zusammenarbeit und ein echtes freundliches Lächeln.

Mittags schenkt dir die nette Kantinenhilfe, wenn du dich mal wieder nicht für ein Dessert entscheiden kannst, einfach das andere dazu.

Später, im Supermarkt, macht dich die freundliche Kassiererin darauf aufmerksam , daß eine von den Tomaten in deiner Packung faul ist, und die geduldigen Menschen in der Schlange hinter dir warten ohne zu schimpfen, bis du vom anderen Ende des Ladens eine neue Packung geholt hast, die in Ordnung ist.

Und abends nach dem Essen wartet dein Freund nur auf dich, der dich in die Arme nimmt und dir das Gefühl gibt, du seist für ihn der einzige Schatz auf der Welt, und der dich aushält, wenn du unglücklich oder inkonsequent bist.

Wie du in deine Begegnungen hineinrufst, so schallt es heraus.

Wie gut, daß das Leben aus Begegnungen besteht.

Aber eine Geschichte wird das diesmal nicht.

 

 

 

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